Ryan Bains, Poeticwalls
Tokio, Kyoto und Osaka sind äusserst verschieden, teilen jedoch eine tiefe Sensibilität für Raum, Licht und Textur. Hyperfunktionale Strukturen prägen die architektonische Landschaft. Unvermittelt – um die Ecke – morpht die Stadt ins Futuristische, Visionäre. Bauwerke einflussreicher japanischer Architekten dramatisieren und strukturieren punktweise die urbane- und halburbane Landschaft. Bei Gängen durch Tokio öffnen sich Parallelwelten. Omotesand, das luxuriösen Hightech-Einkaufsviertel, ist ein einziges, glänzendes Architekturspektakel. Mitten drin findet man sich in einer angemoosten Gasse mit einem jahrhundertealten Teehaus wieder. Lob des Schattens. Zu meinen Tokioter Rückzugsorten gehören ruhigere Gebiete wie Yoyogi- oder Ueno-Park. Nach Tokio wirkt Kyoto zurückhaltend. Nicht Dichte, sondern räumliche Abfolgen und Natur-Integration, setzen den Rhythmus der weitflächigen, aufgelockerten Siedlungslandschaft. Tempel und traditionelle Machiya-Stadthäuser vermitteln Kontinuität, Innen- und Aussenräume gehen dank Schiebetüren, Innenhöfen und Sichtbezügen ineinander über. Osaka dann knallt mit seiner brutalen Energie, Rohheit und groben Materialität: ein schwindlig machender Kontrast zu Tokio’s kontrollierter Komplexität und Kyoto’s introspektivem Wesen. Osaka lebt von Gegensätzen – zwischen dem Neon-Spektakel von Dotonbori und den monolithischen Betonbauten, welche die Nachkriegsarchitektur prägten. Auch die Fragmente der Weltausstellung von 1970, mit ihren futuristische Konzepten, etwa Metabolismus, manifestieren sich noch immer in der Megastadttextur.
City- und Landscape-Architektur in Japan zu erleben, bedeutet Raum als dynamisches, sich entwickelndes Element wahrzunehmen. Ob in den urbanen Zentren von Tokio und Osaka oder in der meditativen Stille von Kyoto und Awaji – der gebaute Raum offenbart sich als Zusammenspiel von Tradition und Transformation. In Japan bewegt man sich durch eine Abfolge von natürlichen und menschengemachten Räumen, welche die Geografie und Kultur des Landes definieren.